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gÜ-Rad - Kommunale Konzepte zur Einhaltung der gesetzlichen Überholabstände zwischen Kfz und Radfahrenden

Maßnahmenentwicklung zur Einhaltung von Überholabständen
Projektzeitraum

1.1.2022 - 31.3.2024

Land

Baden-Württemberg

Stand der Information

28.2.2022

Zu enge Überholabstände von Kfz wirken sich negativ auf das subjektive Sicherheitsgefühl von Radfahrenden aus. Im Projekt werden die Überholabstände in Modellkommunen gemessen sowie Maßnahmen für größere Überholabstände entwickelt und getestet.

Radfahrender in städtischer Verkehrssituation auf seitlichem Radstreifen mit gestrichelter Markierung. Links überholt ein Auto, rechts parken andere Autos. gÜ-Rad
Abstand beim Überholvorgang Kfz/Rad

Beschreibung

Ausgangssituation und Gesamtziel des Vorhabens

Das Fahrrad ist das Verkehrsmittel der Zukunft. Radfahren vereint persönliche (aktive Mobilität, körperliche Fitness) und gesellschaftliche (emissionsfrei, flächensparsam, stadtverträglich) Vorteile für eine zukunftsfähige, nachhaltige Mobilität. Enge Überholvorgänge Kfz/Fahrrad beeinträchtigen das subjektive Sicherheitsempfinden von Radfahrenden. Durch eine Messung der Überholabstände von Kfz/Fahrrad (Messung durch Fahrräder mit Abstandsmesssensoren) werden in 10 Modellkommunen kritische Straßenabschnitte mit zahlreichen engen Überholvorgängen identifiziert. Für diese Straßenabschnitte werden dann mit der Kommunalverwaltung temporäre Realexperimente (Markierungen, Querschnittsaufteilung, Plakate, Schilder, lokale Kampagnen etc.) als Maßnahmen entwickelt, durchgeführt und evaluiert, um enge Überholvorgänge zu reduzieren. Der Erfolg der Realexperimente wird durch eine Nachher-Messung verifiziert. Ziel ist es, Hilfestellungen für Kommunen zu entwickeln, wie sie kritische Situationen, die besonders häufig mit engen Überholvorgängen Kfz/Rad einhergehen, identifizieren und Maßnahmen zu deren Bewältigung treffen können. Angestrebt wird die Entwicklung von Vorgehensweisen und Maßnahmen, die auf andere Kommunen übertragen und skaliert werden können.

Die Einhaltung ausreichender Abstände beim Überholen fördert sowohl die objektive Verkehrssicherheit als auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Radfahrenden und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Radverkehrs. Erste Erkenntnisse zu den Überholabständen zwischen Kfz und Fahrrad liegen aus bürgerschaftlichen und wissenschaftlichen Messkampagnen vor. So zeigt eine Erhebung der Hochschule Karlsruhe im Jahr 2020, dass auf Hauptverkehrsstraßen ca. 50 Prozent der überholenden Kfz einen Abstand von 1,5 m zum Fahrrad unterschreiten (Röder et al. 2021). Eine weitere Erhebung der Hochschule Karlsruhe zeigt zudem, dass Überholvorgänge der häufigste Faktor zur Auslösung messbarer Stressreaktionen bei Radfahrenden sind und damit zentral auf deren subjektives Sicherheitsgefühl einwirken (Merk 2019; Merk et al. 2021). Aus Sicht der objektiven Verkehrssicherheit ist zu berücksichtigen, dass Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden durch überholende Kfz selten sind. Wenn diese passieren, sind Sie jedoch häufig mit hohen Unfallfolgen verbunden.
Diese hohe Bedeutung ausreichender Überholabstände Kfz/Fahrrad ist noch nicht im Bewusstsein aller Verkehrsteilnehmenden angekommen. Die mit der StVO-Novelle 2020 eingeführte Verhaltensregel (Überholabstand innerorts mind. 1,5 m und außerorts mind. 2,0 m) ist im Verkehrsalltag wenig bekannt. Maßnahmen für ein besseres Miteinander bei Überholvorgängen Kfz/Fahrrad sind für die angestrebte Förderung des Radverkehrs essentiell. Nur durch eine Kooperation der Akteure Kfz-Führende, Radfahrende und kommunale Verwaltungen kann eine Reduzierung von zu engen Überholvorgängen und eine wechselseitig erhöhte Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmenden erreicht werden.

Durch die geplanten temporären Realexperimente ist es möglich, entwickelte Lösungsvorschläge auch tatsächlich (zeitlich und örtlich begrenzt) zu realisieren. Die temporären Realexperimente bilden damit einen Ansatz, die in Verwaltung, Politik oder Bürgerschaft eventuell bestehenden Widerstände gegen Maßnahmen zu mindern und sie proaktiv in die Entwicklung von Lösungen einzubinden. Für den angestrebten Transformationsprozess der Mindestüberholabstände ist es wichtig, dass die Realexperimente für alle Zielgruppen erlebbar sind.

Ziel des angestrebten Projektes ist es, die erhobenen Daten an den Anforderungen der kommunalen Planungsprozesse zu orientieren. Von Fahrradverbänden wurden bereits Informationskampagnen (z. B. Fahrräder mit Schwimmnudeln auf dem Gepäckträger, um die Abstände zu verdeutlichen) zu den Überholabständen veranstaltet. Jedoch bestehen bei anderen Verkehrsteilnehmenden teilweise Zweifel an der Qualität und Neutralität der Aussagen von diesen Akteurinnen und Akteuren. Mit dem Projekt werden alle Beteiligten in die Erhebung der Daten eingebunden, eventuelle Konflikte und Konkurrenzen zwischen Zivilgesellschaft und Kommunen vermieden und ein partnerschaftliches Verhältnis gefördert. Zudem werden die Maßnahmen und Strategien zur Förderung ausreichender Überholabstände für das kommunale Handeln nutzbar gemacht und können auch auf zahlreiche Kommunen übertragen werden.

Zusammenfassung der geplanten Projektdurchführung

Im Projektverlauf werden zunächst Kommunen in Baden-Württemberg aufgerufen, sich auf eine Teilnahme im Projekt zu bewerben. Nach der Auswahl von zehn Kommunen werden Studienteilnehmende in den entsprechenden Kommunen ausgewählt. Zeitgleich zur Suche der Modellkommunen wird das Mess-Equipment (die Sensoren) beschafft, verifiziert und auf den Einsatz in den Kommunen vorbereitet.

Die Messreihen in den Kommunen erfolgen gestaffelt. Es werden jeweils für drei bis vier Wochen zehn Fahrräder von Bürgerinnen und Bürgern mit den Abstandssensoren ausgestattet. Dabei werden die Überholabstände Kfz-Rad gemessen, zusammen mit einem kurzen Video dokumentiert und für die zentrale Auswertung weitergleitet.

Anschließend werden die Ergebnisse ausgewertet und mit den Kommunen besprochen. Basierend auf den identifizierten Problemschwerpunkten werden zusammen mit den Kommunen Maßnahmen zur Vergrößerung der Überholabstände entwickelt. Je Kommune wird eine ausgewählte Lösung in Form eines Realexperimentes (Markierungen, Querschnittsaufteilung, Plakate, Schilder, lokale Kampagnen etc.) temporär umgesetzt und die Wirkung durch die erneute Messung der Überholabstände evaluiert.

Die Möglichkeit der rechtlichen Ahndung von Verstößen gegen den gesetzlichen Mindest-Überholabstand wird durch eine Fokusgruppendiskussion mit Praxispartnern analysiert. Möglichkeiten und Hindernisse der Ahndung werden basierend auf den Ergebnissen der Erhebung in den Modellkommunen betrachtet.

Die Ergebnisse des Vorhabens werden den AGFK-Mitgliedern, weiteren Kommunen sowie der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Aus den Ergebnissen wird ein Handlungsleitfaden entwickelt, der Empfehlungen in Bezug auf die Möglichkeiten zur Erhöhung des Überholabstands Kfz-Rad gibt.

Innovationscharakter des Projekts

Warum handelt es sich um ein gutes, innovatives, nachahmenswertes und / oder nachhaltiges Beispiel, und auf welche Einsatzbereiche lässt es sich übertragen?

Die Einhaltung ausreichender Abstände beim Überholen trägt wesentlich zum subjektiven Sicherheitsgefühl der Radfahrenden bei. Die Ergebnisse aus der Umsetzung von Realexperimenten und der dabei festgestellten Wirkungen auf die Überholabstände werden genutzt, um einen Handlungsleitfaden für Kommunen zu entwickeln. Mit der umfassenden Aufbereitung der Erfahrungen kann Baden-Württemberg einen Beitrag zur Weiterentwicklung des bundesweiten Regelwerkes leisten.

Die Fokusgruppendiskussion zur Ahndung von zu geringen Überholabständen liefern Hinweise, wie in Zukunft die Einhaltung der gesetzlichen Mindestmaße durch die örtlichen Behörden besser kontrolliert werden kann.

Finanzierung

Finanzierung

Bundesmittel, Private Mittel (ohne Sponsoring und Spenden).

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans gefördert.

Gesamtvolumen

Das Gesamtvolumen des Projektes beläuft sich auf rund 270.500 Euro. Davon erhalten die Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) rund 131.700 Euro und die Hochschule Karlsruhe rund 105.900 Euro an Bundesmitteln. Die AGFK-BW steuert zudem Eigenmittel in Höhe von ca. 32.900 Euro bei.

Evaluation

Das Evaluationskonzept sieht im Laufe des Projektes folgendes vor:

  • Das Projektziel, durch die Erhöhung der Überholabstände Kfz/Rad einen Beitrag zur Förderung des Radverkehrs zu leisten, ist sehr weitgehend. Daher wird für die Evaluation des Projektes auf das Konzept eines „Log-Frames“ zurückgegriffen, welches hilft, die Brücke zwischen den konkreten Projektaktivitäten und dem Projektziel zu bilden.
  • Durch ein Projekt-Monitoring wird überprüft, ob die Aktivitäten und Meilensteine der einzelnen Arbeitspakete fristgerecht und in einer guten Qualität umgesetzt wurden.
  • Projektergebnisse: Am Ende des Projektes erfolgt die Evaluation, ob die angestrebten konkreten Ergebnisse des Vorhabens erreicht wurden. Erfolgsindikatoren sind:
    1. Das Konzept der Realexperimente wurde in den Kommunen erfolgreich angewandt und von diesen als zielführend und hilfreich angesehen.
    2. Durch empirische Erhebungen wird nachgewiesen, wie sich verschiedene Maßnahmen auf die Überholabstände Kfz/Rad auswirken.
    3. Das Transferpaket wird von den Kommunen als hilfreich empfunden und angewandt.
    4. Die Kommunen planen in Zukunft das weitere Vorgehen zum Thema Überholabstände Kfz/Rad.
  • Übergeordnetes Projektziel: Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die weitere Förderung des Radverkehrs als ein zentrales Verkehrsmittel einer nachhaltigen Mobilität in Stadt und Land. Dies kann nur durch eine längerfristige deutschlandweite Evaluation überprüft werden. Erfolgsindikator ist, ob Kommunen, in denen durch die vorliegende Studie empfohlene Maßnahmen umgesetzt werden, Erfolge und damit einen erhöhten Radverkehrsanteil nachweisen können.
    Das Projekt-Monitoring sowie die Projektergebnisse werden im Projektzeitlauf evaluiert. Die Erfüllung der übergeordneten Projektziele erfordert hingegen eine längerfristige Evaluation, die nicht Teil dieses Vorhabens ist.

Projektträger & Beteiligte

Projektleitung

Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private

Projektleitung (Institution)

Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW)

Projektbeteiligte Institutionen

Hochschule Karlsruhe

Laufzeit

Der Gesamtprojektplan sieht ein Laufzeit vom 1.1.2022 bis zum 31.3.2024 vor.

Ansprechpartner auf Projektebene / Trägerorganisation

Jakob Kittel, Projektleitung, AGFK-BW

Wilhelmsplatz 11

70182 Stuttgart

+49 (0)711 23991-111

AGFK-BW

Kommunale Ansprechpartner(in)

Janik Layer, Projektsteuerung, i.n.s. - Institut für innovative Städte

Alter Kirchenweg 27

90552 Röthenbach a. d. Pegnitz

+49 (0)911 95 33 98 65

Ansprechpartner(in) projektbeteiligte Institution

Prof. Dr. Jochen Eckart, Hochschule Karlsruhe, Teil der Projektleitung

Moltkestraße 30

76133 Karlsruhe

+49 (0)721 925 2920

Hochschule Karlsruhe - Institut für Verkehr und Infrastruktur

Erscheinungsdatum: 8.3.2022

Autor: Hochschule Karlsruhe