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Empfehlungen für die Gestaltung von Fahrradstraßen

Fahrradstraßen - Ein Leitfaden für die Praxis
Projektzeitraum

1.8.2017 - 30.9.2021

Land

Bund bzw. bundesweit

Stand der Information

6.9.2022

Das Vorhaben verfolgte das Ziel, Empfehlungen zu Fahrradstraßen für die kommunale Praxis zu liefern. Hierzu wurden Experteninterviews, zwei Workshops sowie kameragestützte Verkehrsbeobachtungen und Befragungen in ausgewählten Fahrradstraßen durchgeführt. Die Erkenntnisse sind in einem Praxisleitfaden aufbereitet.

Eine Fahrradstraße

Das Vorhaben verfolgte das Ziel, deutschlandweit die bis dato sehr unterschiedliche Ausgestaltung von Fahrradstraßen zu analysieren und die wichtigsten Gestaltungsmerkmale für attraktive und sichere Fahrradstraßen herauszuarbeiten. Aus den Erkenntnissen sollte ein Leitfaden konzipiert werden, der Verwaltungen, Planungsbüros, Politik sowie allen weiteren Interessierten aufzeigt, was bei der Einrichtung von Fahrradstraßen zu beachten ist und welche Elemente gut funktionieren.

Nach einer umfangreichen Literaturauswertung wurden vom Deutschen Institut für Urbanistik in zehn ausgewählten Städten Experteninterviews durchgeführt und die lokalen Fahrradstraßen dokumentiert. Alle zehn Kommunen wurden als Praxisbeispiele auf dem Fahrradportal sowie auf dem Webportal des Mobilitätsforum Bund vorgestellt. Zusätzlich wurden drei Interviews mit erfahrenen Planern aus der Praxis geführt. Parallel dazu untersuchte die Bergische Universität Wuppertal in 22 Städten insgesamt 26 Fahrradstraßen mittels kameragestützter Verkehrsbeobachtung.

Die Ergebnisse aus den Experteninterviews sowie die Zwischenergebnisse der Verkehrsbeobachtung wurden in einem ersten Expertenworkshop kritisch diskutiert, Anregungen für die weitere Untersuchung zusammengetragen sowie erste Hinweise für die Gestaltung des Leitfadens gesammelt. Nach Abschluss der Verkehrsbeobachtungen und nach Auswertung der Ergebnisse wurden die Erkenntnisse in einem zweiten Expertenworkshop erneut diskutiert sowie die Inhalte und der Aufbau des geplanten Leitfadens vorgestellt. Auch hier gab es weitere Hinweise aus der Runde der Experten, die in die finale Fassung des Leitfadens eingearbeitet wurden.

Die wichtigsten Ergebnisse des Projektes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Fahrradstraßen sollten im Rahmen einer Netzplanung eingerichtet werden und für den Kfz-Verkehr nur abschnittsweise durchfahrbar sein (z.B. für die Erschließung der in der Straße anliegenden Wohngebäude). Durchgangsverkehr ist zu vermeiden.
  2. Die Anlage von Sicherheitstrennstreifen zum Ruhenden Verkehr wird in Fahrradstraßen dringend empfohlen. Sie tragen zur Verkehrssicherheit und zur Erkennbarkeit der Straße bei. Die Anlage der Sicherheitstrennstreifen ist wichtiger als die nutzbare Fahrbahnbreite.
  3. Entscheidend für die Funktion der Fahrradstraße ist das Verhältnis zwischen Radverkehr und Kfz-Verkehr. Wenn mindestens ebenso viele Radfahrende wie Kfz über den gesamten Tagesverlauf auf der Straße unterwegs waren, so wurde auch bei hohen Kfz-Verkehrsstärken (> 400 Kfz/h) die Fahrbahn vom Radverkehr angenommen. Für andere Faktoren, wie z.B. die reine Kfz-Verkehrsstärke oder Markierungen auf der Straße, konnte kein Einfluss auf die Fahrbahnnutzung des Radverkehrs nachgewiesen werden.
  4. Knotenpunkte im Zuge einer Fahrradstraße sollten gut erkennbar sein und gute Sichtbeziehungen ermöglichen. Für die Ausgestaltung der Bevorrechtigung ist die Anlage einer Gehwegüberfahrt die sicherste Variante. Eine Fahrbahnanhebung im Kreuzungsbereich trägt ebenfalls zu einer besseren Verkehrssicherheit bei. Bevorrechtigung durch VZ 301 oder VZ 306 sind möglich.
  5. Damit ein Fahrrad einem Kfz begegnen kann, ohne von seiner Fahrlinie abweichen zu müssen, sollte die Fahrgasse eine Breite von 4,00 m haben. Hinzu kommen noch Sicherheitstrennstreifen zum Ruhenden Verkehr, wenn Parkstände angelegt sind.
  6. Die reine Beschilderung genügt nicht, um Fahrradstraßen als solche erkennbar zu machen.

    Geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Erkennbarkeit sind
    • die Markierung von Sicherheitstrennstreifen,
    • die rote Einfärbung des Asphalts (nur an den Knoten oder durchgehend),
    • die Anlage eines gepflasterten Mittelstreifens und
    • die Markierung des Zeichens 244.1 auf der Fahrbahn.

  7. Begleitende Öffentlichkeitsarbeit zur Einrichtung von Fahrradstraßen hat sich als sehr sinnvoll erwiesen.

Für den Fall einer Neugestaltung der Straße sind bauliche Maßnahmen wie die Errichtung eines gepflasterten Mittelstreifens, der Einsatz von Gehwegüberfahrten und von Sinuswellen oder die Verwendung von roteingefärbtem Asphalt sinnvoll. Diese Elemente einer Premium-Fahrradstraße erhöhen die Erkennbarkeit, die Qualität und den Komfort zusätzlich.

Straßen, auf denen der Radverkehr auch auf lange Sicht in der Minderheit bleibt und das Verkehrsgeschehen nicht prägt, sollten nicht als Fahrradstraßen ausgewiesen werden, da die mit dieser Führungsform verbundenen Vorteile für den Radverkehr nicht realisiert werden können.
Ergänzend zu diesen erarbeiteten Empfehlungen, die umfassend und anschaulich im Leitfaden dargestellt sind, werden die ausführlichen Ergebnisse und Erkenntnisse des Projektes in einem Forschungsbericht dargestellt (derzeit noch unveröffentlicht).

Im Forschungsbericht wird in Ergänzung zum Leitfaden auf weitergehende Aspekte und Erkenntnisse des Projektes eingegangen. Dies betrifft insbesondere folgende Bereiche:

  • konkrete Hinweise zu den Fahrbahnbreiten auf Basis der Überholabstände,
  • der weitere Einfluss von verkehrslenkenden Maßnahmen für den Kfz-Verkehr auf das Überholverhalten und
  • Erkenntnisse zur Wartezeit des Fußverkehrs vor dem Überschreiten von Fahrradstraßen

Warum handelt es sich um ein innovatives und nachahmenswertes Beispiel?

Es fehlten Vorgaben zu einer einheitlichen, dezidierten und wiedererkennbaren Ausgestaltung von Fahrradstraßen. Zudem wurde noch nicht herausgearbeitet, welchen Mehrwert Fahrradstraßen gegenüber Straßen mit Höchstgeschwindigkeit 30 km/h haben. Diese Wissenslücke sollte gefüllt werden. Die intuitive Erkennbarkeit von Fahrradstraßen bei allen Verkehrsteilnehmenden ist Voraussetzung für die Sicherheit und den Komfort der Radfahrenden.

Finanzierung

Finanzierung

Bundesmittel, Private Mittel (ohne Sponsoring und Spenden)

Gesamtvolumen

BUW: 350.017,00 Euro (Vollfinanzierung)
Difu: 160.880,80 Euro (80 Prozent Bundesmittel, 20 Prozent Eigenanteil)

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert.

Evaluation

Das Projekt hat sich insbesondere in Bezug auf die Erhebungen und deren Dokumentation quantitative (Zwischen-)Ziele gesetzt (z. B. in Bezug auf die Anzahl von dokumentierten Steckbriefen zu Fahrradstraßen oder durchgeführten Experteninterviews). Diese wurden im Rahmen der Qualitätssicherung im Hinblick auf die Quantitäten evaluiert. Zudem erfolgte eine prozesshafte Evaluation zur Verbesserung der angewendeten Methoden im Rahmen der Datenerhebungen und Datenanalysen. Dies erfolgte mit dem Ziel, die Datenerfassung und -auswertung zu optimieren und wurde z. B. durch regelmäßige Feedbackgespräche umgesetzt. Zur Qualitätssicherung wurde der Leitfadenentwurf von ausgewählten Expertinnen und Experten aus dem Expertenworkshop gegengelesen und die Rückmeldungen entsprechend berücksichtigt.

Projektträger & Beteiligte

Projektdurchführende Institutionen

Unternehmen, Universität, Verband, Verein, Private

Projektleitung

Bergische Universität Wuppertal

Projektbeteiligte

Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH

Laufzeit

Dauermaßnahme

Nein

Öffentlichkeitsarbeit & Dokumentation

1) Poster-Präsentation beim Deutschen Straßen- und Verkehrskongress. September 2018. Erfurt. NRVP 2020 – Fahrradstraßen - Leitfaden für die Praxis, In: FGSV Kongressband Erfurt: Deutscher Straßen und Verkehrskongress 2018, ISBN: 978-3-86446-225-2 sowie 2) Beitrag „Empfehlungen für die Gestaltung von Fahrradstraßen“ in: Radverkehrsinfrastruktur - Baustein der Verkehrswende. Gemeinsame Abschlusspublikation des NRVP-Forschungsbegleitkreises "Förderschwerpunkt Infrastruktur" (Hrsg. Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Berlin, August 2021)

Fahrradstraßen - Leitfaden für die Praxis

Ansprechpartner auf Projektebene

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach

Bergische Universität Wuppertal

Lehr- und Forschungsgebiet Straßenverkehrsplanung und -technik

Pauluskirchstr. 7

42285 Wuppertal

+49 202 439 4087

Erscheinungsdatum: 3.11.2017

Autor: Simon Knappe, Bergische Universität Wuppertal, Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen, Lehr- und Forschungsgebiet für Straßenverkehrsplanung und -technik